Sonntag, 4. Dezember 2011

Umzug nach Argentinien: Mein Leben in Azara

Hola!

Wie ihr, liebe Freunde und Familie, sicherlich mitbekommen habt, hab ich in letzter Zeit leider wenig von mir hören lassen. Das hat den einfachen Grund, das unheimlich viel passiert ist und ich erst jetzt Zeit finde, all die netten Mails aus Deutschland zu beantworten und auf dem Blog etwas Licht ins Dunkeln zu bringen. Zu Beginn soll jedoch gesagt sein: Ich bin umgezogen und wohne jetzt in Azara, Argentinien.

Der Umzug in grober und detaillierte Sicht. Für südamerikanische Verhältnisse ist es wirklich nur ein Katzensprung über die Grenze nach Argentinien: 90 km Luftlinie - dennoch braucht man sage und schreibe 6 Stunden für die Stecke.

Wie es dazu kam

In dieser Region Südamerikas, im Grenzgebiet von Argentinien und Paraguay, sind wie zu zweit: Felipe und ich. Es gibt demnach auch zwei Stellen, nämlich in Capitan Miranda und in Azara. Da der Padre von Azara, Enrique, aus Gesundheitsgründen die vergangenen drei Montate noch in Deutschland bleiben musste, haben wir in Capitan Miranda zu zweit gewohnte und abgewartet.
Nun haben sich die Dinge so ergeben, dass wir zwischendurch Azara mal besucht haben (Blogeintrag) und jeweils so einen Eindruck von beiden Einsatzorten gewinnen konnten. Tatsächlich haben wir nach längerem Überlegen festgestellt, dass es sinnvoller ist, wenn ich nach Azara gehe und Felipe Capitan Miranda zu seiner Einsatzstelle macht. In erster Linie hat das mit den jeweiligen Arbeitsfeldern zu tun, die so jeweils für jeden von uns passender sind.
Verabschiedung von den vielen Leuten, die ich, und die mich, liebgewonnen haben. Freunde, Schüler, die Schwestern, Bekannte. Sogar eine Abschiedstorte und einen eigenen Radiospot gab es zum Abschied:-).
So hieß es dann für mich: Abschied nehmen. Knapp drei Monate sind eine ganze Weile und ich war beeindruckt und glücklich, mit welcher Herzlichkeit ich von meinen paraguayischen Freunden, Schülern und Bekannten verabschiedet wurde. Auf der anderen Seite jedoch auch ein wenig traurig, da es besonders diese herzlichen Menschen sind, die ich in der Zeit sehr lieb gewonnen habe. Da ich aber sicherlich nochmal zu Besuch kommen werde, ist es zum Glück kein Abscheid auf Ewigkeit.


Das ist Azara
Die schöne Kirche von Azara von außen und innen

Meine Einsatzstelle hier ist eine ländliche Pfarrei im Bundesstaat Misiones, Argentinien. Das Dorf liegt gerade mal 90 km südlich von Capitan Miranda - Durch Zoll, Wartezeiten, schlechte Straßen usw. sind es dennoch 6 Stunden Reisezeit. Azara liegt nahe dem Bundestaat Corrientes (Arg.) und nahe der Brasilianischen Grenze, also im Ganzen sehr zentral. Das Dorf hat ca. 4000 Einwohner, ist in den letzten Jahren jedoch durch die hiesige Holzwirtschaft rapide gewachsen. Hauptwirtschaftszweig ist der Yerbaanbau, die Teesträucher, aus denen das Volksgetränk Mate gemacht wird.
Das nahegelegene Apostoles (ca. 20 km) ist Anlaufstelle für alle größeren Besorgungen und wird zudem als Hauptstadt des Yerbas bezeichnet; etwa 30.000 Einwohner leben hier. Für noch größere Angelegenheiten geht es dann nach Posadas, die Hauptstadt von Misiones. Hier leben 350.000 Leute, die Stadt liegt gegenüber von Encarnacion, wo ich ja quasi gerade gelebt habe.
Die Landschaft ist wunderschön. Liebliche Hügel prägen die Landaschaft und wohin man guckt, nichts als Yerba und Bäume - Natur pur.
Wenn man von Paraguay nach Argentinien kommt, kann man auf jeden Fall schon einen enormen Unterschied wahrnehmen. Da ist zunächst das Spanisch, dass hier doch recht unterschiedlich ist. "Yo" wird zuweilen "Scho" ausgesprochen, kaum Guaranieinfluss mehr etc. Argentinien ist zudem reicher, was sich durch befahrbare Straßen und darauf öfters neuen Autos gleich bemerkbar macht. Den Lebensstandart der Argentinier, sofern ich das bisher beurteile, schätze ich sicherleich auch etwas höher ein. Azara gilt als normales, vielleicht etwas ärmeres argentinisches Dorf. Es ist hier jedenfalls angenehm ruhig, ohne schläfrig zu sein, also wirklich schön.


Die Leute von Azara
Was kann es schöneres geben als herzlich Willkommen zu sein?
Die Menschen, die ich hier bisher kennen lernen durfte sind großartig. Ich bin hier mit einer überwältigenden Freundlichkeit willkommen worden. Generell ist erstmal hier estmal ein Starker Polnisch-Ukrainischer Einfluss bei der Herkunft der Leute zu bemerken. Indigene Einflüsse sind hingegen geringer als in Paraguay. Ich falle jedenfalls als Blonder nicht auf.

Natürlich habe ich hier in erster Linie mit den Menschen hier in der Gemeinde (Spanisch: Parroquia) zu tun. Da lässt sich gleich mal festhalten: Die Parroquia ist großartig, den wunderbar aktiv. Hier ist immer was los, die Leute engagieren sich, machen mit - und das mit vollem Herzen. Viele hier sind so aktiv, dass man hier den harten Kern der Gemeinde schon als eine Art Familie bezeichenen könnte. Das ist wirklich wunderschön und gibt mir die tolle Möglichkeit, gleich voll einzusteigen. Dazu aber gleich mehr.

Woran liegt es, dass sich die Leute hier so gerne in die Gemeinde begeben? Da kann es nur eine Antwort geben . In erster Linie an Padre Enrique. Das der Padre hier, für das Jahr auch mein Padre, und auch Deutsch, Ende 70, gefühlte 50, immer bestens gelaunt. Er ist einen Tag vor meiner Ankunft aus Deutschland zurückgekehrt, wo er ja wegen Gesundheitsproblemen war. Die Leute hier haben ihm einen offenbar unglaublichen Empfang bereitet, jedenfalls sind nun alle feliz, dass sie ihren Padre wiederhaben! Wir verstehen uns ganz toll!
Unsere fidele Männer-WG in einer typischen Junggesellenküche: links Raul, auch mal "Jefe" genannt, rechts Enrique, alias "Padre" und ich, Dani, werde manchmal würdevoll mit "Principe" angesprochen.

Dann gibt es noch viele, viele Freiwillige, die sich hier mit einer unglaublichen Hingabe einbringen - und das oft neben Arbeit, Familie usw. Besonders ist da der Raul zu nennen. Er lebt seit kurzem auch fest im Pfarrhaus und so haben wir also eine nette 3er-Männer-WG hier. Raul arbeitet hier Tag und Nacht, kümmert sich um das Pfarrgelände, denkt mit und ist nebenbei noch auf der Baustelle für ein Altenheimt tätig, welches hier von Stadt und Parroquia gebaut wird.

Die vielen anderen brauche ich jetzt nicht aufzählen, aber es sind viele;-).


Ich in Azara

Obwohl ich hier erst seit 1,5 Wochen bin, habe ich schon das Gefühl top integriert zu sein. Das ist klasse, liegt aber vor allem darin, dass hier immer viel los ist und sich das meiste auch auf dem schönen Gelände der Parroquia abspielt.
Erstmal, wie ich lebe. Ich lebe hier richtig schön. Direkt neben der Kirche gibt es ein etwa 12 Jahre altes Haus, das unten Räumlichhkeiten für Pfarraktivitäten bietet, oben eine große Wohnung mit mehreren Zimmern. Das ist mein Zuhause, das ich derzeit für mich habe. Am Anfang musste ich leider einige Tage lange hart ans Putzen gehen, dabei auch zahllose Spinnen und Pilze eliminieren, aber jetzt ist alles sauber und ordentlich  - und wunderschön. Ich fühle mich richtig Wohl, habe ein schönes Zimmer und vor allem gibt es eine tolle schattige Terrasse mit Ausblick auf den Kirchplatz, was will man mehr?
"Mein" schönes Haus, das "Casa Clemente" von außen, oben lebe ich. Die Terrasse ist mein Lieblingsort und immer angenehm schattig, links unten mein nettes Zimmer mit Ost-und Südseite, die ungenutzte Küche rechts unten.

An Aktivitäten gibt es hier immer vieles, daher schreibe ich auch erst jetzt zurück. Wer mich kennt weiß, dass ich das super finde.
An festen Aufgaben werde ich hier ab sofort die Messdienergruppe und wahrscheinlich auch die Jugendgruppe leiten, bei sind zuletzt etwas eingeschlafen und so ist meine Hilfe gleich gefragt.
Innerhalb der Woche werde ich mich auch um das Mittagessen kümmern, jedenfalls ist das so geplant - Wenn Enrique und Raul nicht schon bald die Notbremse ziehen müssen. Aber nein, ich denke das wird schon gehen und auch lecker:-).
Dann vielen Gruppen:
Caritasgruppe: Hier lernt man die verschiedensten sozialen Schichten kennen und kann den ärmsten der Armen helfen und für sie dasein, super!
Liturgiegruppe: Hier wird die Liturgie der Woche ausgesucht, vorbereitet und diskutiert.
Tempeldiener: Eine heitere Gruppe, die jeden Samstagmorgen die Kirche auf Hochglanz bringt.

In den Messfeiern habe ich eine besondere Ehre: Als Missionar auf Zeit, darf ich die Feier vorne neben dem Padre feiern und sogar die Kommunion austeilen, ich wusste gar nicht, dass ich sowas darf!
Ich in der Messe: Sogar die Kommunion darf ich austeilen.

Auch Gartenarbeit gibt es hier, hier wird mir Raul demnächst einweisen und dann wird da auch mit angepackt.

Ja und dann gibt es immer noch zahllose Dinge die gerade einfach Tagesgeschäft sind. Jetzt gerade zum Beispiel: Der Pilgertag am 8. Dezember zur Jungfrau Maria, danach alles für Weichnachten, also Deko, Krippenspiel usw.

Also es gibt viel und ich freue mich darüber und möchte hier geben, was ich geben kann.

Aktuelles

In der Gemeinde ist generell viel los, nun aber besonders viel, denn Weihnachten steht vor der Tür. Die Adventszeit ist ja für jeden Christen die Zeit der Vorbereitung, was hier aber auch bedeutet: Es muss ordentlich angepackt werden. Das betrifft dann zum Beispiel das Krippenspiel, das an Heiligabend durchgeführt wird, Caritasaktionen für Bedürftige, die Herrichung der Kirche usw. Vor allem letzteres ist hier enorm, denn jedes Jahr wird die Kirche micht einer Beleuchtung bestückt,  von der mir alle nur sagen, dass es mich überwältigen wird. Gut, zünächst überwältigt es mich dann wohl, alles aufzuhängen;-).

Nächste Woche werden wir schwer damit beschäftigt sein, einen Umzugswagen zu bauen, denn am 8. Dezember ist der große Marienfeiertag. Dann gibt es eine Prozession, die um 4 Uhr morgens beginnt an einen 9 km entfernten Ort und dort dann eine Messe. Wie überall in Südamerika verdient Maria hier eine besondere Huldigung.

Der der Padre so lange nicht da war, ist erstmal eine ganze Menge nachzuholen. Die Jugend- und Messdienergruppe werde nun ich etwas "wiederbeleben", worauf ich mich sehr freue. Vor allem letztere müssen ja Weihnachten in Topform sein.

Dann wird natürlich auch immer viel gefeiert. Immer wieder gibt es "Cumple-Cince", also die spektaculären 15. Geburtstage, die die Mädchen hier feiern (als Prinzessinnen mit unglaublichem Spektakel, Aufwand, Asado usw.), von denen ich schon zwei hier miterlebt habe. Dann feiern nächste Woche die Schüler das bestehen ihres Abiturs ("Bachillerato"), das Bürgermeisteramt wird übergeben, ein Priester hat 50. Priesterjubiläum, und, und, und. Es ist hier vieles los...aber das ist gut so!

Ich freue mich nun hier auf eine schöne und vor allem andersartige Weihnachtszeit, bei gut 35°C am Tag. Ich hoffe man hört heraus, dass ich glücklich und gerne hier bin. Ich wünsche auch Euch, eine angenehme Weihnachtszeit, dass ihr euch nicht vom Stress einnehmen lasst und auch Ruhe einkehren kann.


Muchos saludos y un abrazo fuerte,

Daniel (das "el" schenken sie sich hier)