Dienstag, 8. November 2011

Kulturelle Vielfalt im Herzen von Südamerika

Hola queridos amigos! Mit Freude kann ich behaupten, dass ich hier in einem Teil von Paraguay lebe, der an kultureller Vielfalt kaum zu überbieten ist. Das hat sich in den letzten Wochen ganz besonders bemerkbar gemacht und ich bin mir sicher, das ist auch für euch spannend!
Ich bei den Ruinen von Trinidad - besonders bei Abenddaemmerung wunderschoen.
  1. Der europäische Einfluss
Zunächst einmal gibt es hier in Capitan Miranda und der Region an sich Einflüsse aus aller Herren Ländern. Es gibt kaum einen, der von sich behaupten kann, wirklich keine ausländischen Wurzeln zu haben. So tummeln sich hier u.A. Japaner, Ukrainer, Niederländer, Russen, aber nicht zuletzt auch sehr, sehr viele Deutsche. Es kommt nicht selten vor, dass ich mitten in einem Gespräch von einem deutschen Satz überrascht werde. Wie kommt das also?
Erstmal ist Paraguay an sich ein traditionelles Einwanderungsland und anders als in vielen anderen Regionen sind die Einwanderer hier normalerweise sehr erfolgreich und wirtschaftlich wichtig. Die Mennoniten beispielsweise, deutschstämmig, waren die ersten, die tatsächlich den Chaco erfolgreich bewirtschafteten- heute sind sie eine echte Wirtschaftsmacht in Paraguay! Meine Region hier ist ein Stück weit tatsächlich eine deutsche Kolonie. Nicht weit von uns lieg z.B. „Hohenau“, eine quasi deutsche Siedlung und auch anhand der Namen vieler Geschäfte lässt sich die Deutschstämmigkeit erkennen.
Links bin ich als Deutscher mit Sandra, der Fast-Deutschen auf dem Kulturfest einer Schule. Rechts: Tanz beim Kolomeika, ein ukrainisches Fest.
Generell schön an diesem Kulturmix ist vor allem: Jeder hält seine Traditionen in Ehren und das ermöglicht öfters spannende Kulturfeste, wie ich sie kürzlich mehrfach erleben durfte. Ich genieße das in vollen Zügen.
Vor einer guten Woche war da das „Kolomeika“, ein riesengroßes Fest der ukrainischen Gemeinschaft hier, das über lange Zeit vorbereitet wird. An dem Abend an sich gibt es dann typische Musik, Tanz, Dekoration und traditionelle Trachten. Vor allem aber: Essen, essen, essen – weitestgehend landestypisch.
Das riesige Kulturfest der Schule San Jose mit tollen Vorstellungen und Speisen aus aller Welt.
Auch die Schulen hier nehmen das Thema der Kulturenvielfalt sehr ernst. San Jose beispielsweise, die Schule die ich oft besuche, hat über Wochen durch Projektarbeit ein ebenfalls großes Fest auf die Beine gestellt in denen dann jeder Kurs Tänze, Speisen, Souveniers, etc. vorbereitet hat. Die kleine Weltreise umfasste Argentinien, Paraguay, Cuba, Mexico, Brasilien, USA, Hawaii, Spanien, Ukraine, Kolumbien und, ja, auch Deutschland! Für mich war das Fest ein ganz besonderer Abend, da ich ja nun auch schon sehr viele Schüler kenne und richtig gerne habe.

  1. Die Guarani-Kultur
In eine ganz andere Richtung, aber mindestens genauso schön, geht der Einfluss des Guarani. Die Guarani sind das Indiovolk Paraguays, natürlich mit eigener Kultur und, eng damit verknüpft, eigener Sprache. Was Paraguay im Vergleich zu allen anderen Ländern Südamerikas besonders macht ist, dass die Guarani-Sprache hier offizielle Amtsprache neben dem Spanisch ist. So sind neben Behördengängen auch Schulunterrichtsstunden tatsächlich möglich. Ich finde das wunderbar und respektvoll. Die meisten Leute hier sprechen tatsächlich beide Sprachen, wobei wohl das Guarani im Haus mehr angewendet wird, für den Rest aber eher Spanisch üblich ist. Kleiner Haken für mich ist, dass eine häufiges Gemisch aus beidem für mich nur schwer zu verstehen ist und die Kinder manchmal einfach einen Riesenspaß daran haben, mir gegenüber eine „Geheimsprache“ zu haben. Immerhin haben sie mir die wichtigsten Frasen auch schon verraten, so bin ich nicht ganz hilflos ausgeliefert.
Janko und ich bei den Ruinen von Jesus - verbotenerweise auf dem ehemaligen Kirch- und Wachturm.
Die Geschichte der Gurarani in der Region hier ist SPANNEND! Tipp: Es gibt einen großartigen Film „The Mission“, etwa 20 Jahre alt, der die Situation gut darstellt.
Es ist nämlich so (vereinfacht): Als die Konquistadoren die Guarani unterwerfen und ausbeuten wollten, haben sich die Jesuiten eingesetzt und Reduktionen gebaut, in denen sie sicher waren. Die Indios haben sich im Gegenzug den jeweiligen Jusitenpadres untergeordnet und den christlichen Glauben angenommen. In diesen Reduktionen wurden unglaubliche Leistungen in Kunst und Kultur vollbracht. Man muss ich das vorstellen: 5000 Indios haben in einer Reduktion gewohnt – zwei Padres haben sie geleitet und es hat bestens funktioniert. Leider nahm diese tolle Geschichte Ende des 18. Jahrhunderts ein jähes Ende: Die Jesuiten waren den Spaniern zu erfolgreich (->Konkurrenz zur Ausbeutung) und wurden gezwungen das Land zu verlassen. Die Reduktionen wurden zwar noch von den Franziskanern weitergeführt, waren aber innerhalb weniger Jahrzehnte meist komplett verlassen.
Die unbeschreiblich schoenen Ruinen von Trinidad vom wiedererbauten Turm aus fotografiert.

Das Großartige an diesen Reduktionen ist, dass zwei der Besten nur einen Tagestrip entfernt liegen und noch gut erhalten sind: Jesus und Trinidad. Diese Ruinen sind das Unesco-Weltkulturerbe mit den wenigsten Besuchern weltweit, mangels touristischer Erschließung. Gerade das macht aber einen Besuch so schön. Man kann durch die alten Gemäuer schlendern und sich von dem Geist dieser magischen Orte verzaubern lassen. Besonders Trinidad hat es mir angetan. Dort gibt es seit 3 Jahren auch eine nächtliche Lichtershow, mit Originalmusik aus der Jesuitenzeit. Wir haben die Ruinen am vergangenen Wochenende besucht. Die Gelegenheit war bestens, weil gerade auch Janko, Missionar auf Zeit in Bolivien zu Besuch war und das Wetter bestens mitgespielt hat.
Ich hoffe, meine kleine Kulturstunde hat euch gefallen;-).
Muchos saludos,
Daniel